1 Unser Gehirn
Unser Gehirn ist ein Hochleistungsorgan mit 100 Milliarden Nervenzellen und 100 Billionen Verbindungen und es steuert unsere Abläufe im Körper. Es verbraucht ca. 20% unserers Energiebedarfs und zwar in Form von Glukose ("Traubenzucker"). Der Körper stellt die benötigte Glukose aus den durch die Nahrung aufgenommenen Kohlehydraten her. Wenn der Blutzuckerspiegel abnimmt, nehmen wir das als Müdigkeit, Unkonzentriertheit und verminderte Leistungsfähigkeit wahr.
Wenn man dann zuckerhaltige Süßigkeiten oder Weißmehlprodukte isst, kommt es zu einer kurzzeitigen Besserung. Der Körper schüttet jetzt viel Insulin aus, um den Zucker abzubauen und in die Zellen zu transportieren. Der Blutzuckerspiegel fällt nach 20-30 min. wieder, aber unter das Ausgangsniveau. Es entsteht Heißhunger, man snackt wieder etwas Süßes und es beginnt von vorne. Das wird bei vielen Menschen zur Gewohnheit, man snackt den ganzen Tag.
Das ist eine extrem ungesunde Angewohnheit, man riskiert Übergewicht und erhebliche gesundheitliche Probleme (Diabetes, Herz-Kreislauf-Probleme, degenerative Wirkung auf das Gehirn). Besser ist es daher, sich mit komplexen Kohlehydraten (Gemüse, Vollkornprodukte,...) zu versorgen. Diese erzeugen einen sanften An- und Abstieg des Blutzuckers.
Siehe auch bei "Wie viel Mahlzeiten am Tag".
2 Kann man das Gehirn "tunen"?
Antwort: Ja, aber das müssen wir etwas differenzierter betrachten. Zuvor klären wir zwei Begriffe:
RDA (Recommended Daily Allowance) ist die nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kentnisstand erforderliche tägliche Menge eines Nährstoffs, um Mangelerscheinungen im Körper zu vermeiden. Sie werden oft bei Nahrungsergänzungsmitteln referenziert. RDA ist international gebräuchlich, im deutschsprachigen Raum gibt es die D-A-CH Referenzwerte, die recht ähnlich zu den RDA-Werten sind und die in Gemeinschaftsverpflegungen angewendet werden (Kantinen, Schulküchen,...).
UL (Upper Limit) ist die nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kentnisstand unbedenkliche maximale tägliche Menge eines Nährstoffs, die dauerhaft aufgenommen werden kann, ohne dass gesundheitliche Probleme auftreten. RDA ist international gebräuchlich, im deutschsprachigen Raum spricht man von der "tolerierbaren Obergrenze für die tägliche Gesamtaufnahme". Dieser Begrife wird vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) verwendet und entspricht dem UL-Konzept.
Das Thema Ernährung & Gehirnleistung ist inzwischen gut erforscht, sowohl in Bezug auf kurzfristige kognitive Leistungsfähigkeit (Konzentration, Aufmerksamkeit) als auch auf langfristige Hirngesundheit (Schutz vor kognitivem Abbau, Demenz).
3 Nährstoffaufnahme unterhalb des RDA
Bei einer dauerhaften Unterversorgung kommt es zu Leistungseinbußen der Gehirns. Diese bewirken klare Defiziteffekte wie Konzentrationsstörungen, Gedächtnisschwäche, Müdigkeit, auf Dauer erhöhte Demenzrisiken. Die Versorgung mit diesem Nährstoff kann dann ein erhebliche Verbesserung bewirken.
Bei den unten genannten Mikronährstoffen verfügt der Körper über Depots (siehe auch bei "Wissenswertes über Lebensmittel und Nährstoffe"). Bei Glukose ("Blutzucker") kann der Körper diese nicht nur aus der Nahrung gewinnen, sondern auch selbst synthetisieren – vor allem in Zeiten des Fastens oder bei kohlenhydratarmer Ernährung. Dieser Prozess heißt Gluconeogenese. Dies geschieht hauptsächlich in der Leber, aber auch in den Nieren. Dieser Prozess braucht allerdings eine Weile, bis er hochgefahren ist und in der Zwischenzeit kann man den Glukosemangel durchaus als leistungsmindernd wahrnehmen. (Ich kann das aus eigener Erfahrung mit Intervallfasten bestätigen, weswegen ich bei hohen intellektuellen Anforderungen Zusatzmahlzeiten mit komplexen Kohlehydraten einnehme.)
Oberhalb des RDA gibt es meist keinen Zusatznutzen. Dies trifft hautptsächlich auf folgende Nährstoffe zu:
Magnesium: NMDA-Rezeptor-Regulation (der NMDA-Rezeptor im Gehirm ist für für Lernen, Gedächtnis, Schmerzverarbeitung und neuronale Plastizität verantwortlich). Magnesium ist ein natürlicher Regulator des NMDA-Rezeptors und schützt das Gehirn vor Übererregung. Eine ausreichende Versorgung kann neuroprotektiv wirken und Symptome wie Schmerz, Stress oder Schlafstörungen lindern. Bei Magnesiummangel steigt das Risiko für neuronale Dysregulation und chronische Beschwerden.
Zink ist wichtig für die Synapsenfunktion und die Neurotransmitter-Synthese. Ein Zinkmangel führt zu Konzentrationsstörungen, Lernschwäche, erhöhter Reizbarkeit, depressive Verstimmungen, Beeinträchtigung von Gedächtnisbildung und neuronale Plastizität.
Die Vitamine B1, B6, B12 und B9 (Folat/Folsäure) sind essenziell für die Energieproduktion, Neurotransmitter-Synthese, und den Schutz der Myeleinscheide (die Myelinscheide ist eine Isolationsschicht in Nervenzellen. Sie ist essenziell für die schnelle und verlustfreie Weiterleitung elektrischer Signale im Nervensystem. Ihr Schutz ist entscheidend für die neuronale Gesundheit.)
Eisen ist wichtig für die Sauerstoffversorgung, die Neurotransmittersynthese, die Energieproduktion, den Schutz der Myelinscheide (s.o.) und für die Stress- und Resilienzregulation. Symptome bei schweren, dauerhaften Mängeln wären Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Stmmungsschwankungen, Depressionen, Angstzustände, kognitive Defizite, Stressanfälligkeit und reduzierte psychische Belastbarkeit. Ein Eisenmangel betrifft oft Frauen, Vegetarier/Veganer, Sportler und Menschen mit chronischen Entzündungen.
Eine Überversorgung von Eisen kann schädlich sein und zwar durch oxidativen Stress, Entzündungsprozesse und Störungen der Neurotransmitterbalance.
Glukose ("Traubenzucker"): Die Glukoseversorgung des Gehirns ist ein kritischer Faktor für kognitive Leistungsfähigkeit, neuronale Gesundheit und emotionale Stabilität. Das Gehirn verbraucht etwa 20–25 % der gesamten Glukose, obwohl es nur rund 2 % des Körpergewichts ausmacht. Sowohl Unterversorgung (Hypoglykämie) als auch Überversorgung (Hyperglykämie) können gravierende Folgen haben – akut wie auch langfristig.
Auswirkungen einer Unterversorgung: Konzentrationsstörungen, verlangsamte Reaktion, Gedächtnisprobleme, Reizbarkeit, Verwirrtheit, Aggressivität, Apathie, Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen
Auswirkungen einer Überversorgung: beschleunigte Alterung von Nervenzellen. Schwankende Blutzuckerwerte führen zu Stimmungsschwankungen, „Brain Fog“, Müdigkeit. Langfristig: erhöhtes Risiko für Alzheimer, Demenz, kognitive Einbußen, Insulinresistenz
4 Nährstoffaufnahme oberhalb des RDA und unterhalb des UL
Die Bedarfsdeckung gemäß RDA reicht, um klinische Mängel zu vermeiden und „normale“ Hirnfunktion sicherzustellen. Dabei geht es um Mangelprävention, nicht um optimale Hirnfunktion. Bei einigen Nährstoffen kann eine höhere Zufuhr (oberhalb RDA, unterhalb UL) zusätzliche Vorteile bringen (Leistungssteigerung, Schutz im Alter, bessere Resilienz). Wir unterscheiden zwischen:
4.1 Manche Nährstoffe zeigen bessere Hirnleistung bei etwas höherer Zufuhr
Omega-3 (DHA/EPA): RDA-ähnliche Werte sind oft zu niedrig. Studien zeigen bessere kognitive Leistungen bei 1–2 g/Tag statt nur 200–300 mg. (Anmerkung: meine Werte liegen bei 3-4 g/Tag, durch einen Mix aus Ernährung und Supplementierung)
Vitamin D: RDA deckt den Knochenbedarf ab, optimale Spiegel für Gehirn (Stimmung, Neuroprotektion) scheinen oft höher (z. B. Blutwert 30–50 ng/ml). (Anmerkung: meine Werte liegen bei 40–50 ng/ml durch entsprechende Supplementierung)
B-Vitamine (B6, B9, B12): Höhere Zufuhr (bei normalem Status) kann Homocystein senken. Homocystein ist eine Aminosäure, die als Zwischenprodukt im Stoffwechsel entsteht, wird normalerweise schnell abgebaut, wozu B6, B9, B12 benötigt werden. Bei einem Mangel dieser B-Vitamine oder bei einem zu viel an Alkohol, Nikotin oder Koffein ist der Homocystein-Spiegel zu hoch. Zu viel Homocystein kann die Blutgefäße schädigen, Thrombosen und Osteoporose hervorrufen und Demenz und Alzheimer begünstigen.
4.2 Manche Substanzen wirken akut leistungssteigernd
Koffein: steigert Konzentration, Wachheit, Reaktionsgeschwindigkeit
L-Theanin ist eine Aminosäure, die fast ausschließlich in grünem Tee vorkommt – und sie hat bemerkenswerte Wirkungen auf das Gehirn. Anders als viele stimulierende Substanzen wirkt L-Theanin beruhigend, ohne müde zu machen, und fördert gleichzeitig Konzentration, Stressresistenz und kognitive Leistung.
Kreatin ist nicht nur ein Klassiker im Kraftsport – es hat auch nachweisbare Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit, insbesondere unter Bedingungen wie Schlafmangel, Stress oder bei vegetarischer Ernährung, wo die körpereigenen Kreatinreserven oft niedriger sind.
Tyrosin und dessen Vorstufe Phenylalanin sind Aminosäuren mit zentraler Bedeutung für die neurochemische Balance und kognitive Leistungsfähigkeit. Sie sind Vorstufen wichtiger Neurotransmitter (Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin) und wirken besonders unter Stressbedingungen leistungssteigernd, außerdem leicht antidepressiv und stimmungsstabilisierend und schmerzlindernd.
4.3 Manche Substanzen bieten Langfristschutz (Neuroprotektion)
Polyphenole sind sekundäre Pflanzenstoffe mit antioxidativen, entzündungshemmenden und neuroprotektiven Eigenschaften. Sie kommen in einer Vielzahl pflanzlicher Lebensmittel vor – besonders in solchen mit intensiver Farbe, herbem Geschmack oder bitteren Noten. Dazu gehören
dunkle Beeren (Heidelbeeren, Aronia, Johannisbeeren, Himbeeren,.. )
Kakao, dunkle Schokolade
grüner und schwarzer Tee
Gewürze (Nelken, Kurkuma, Zimt, Sternanis ,...)
Nüsse und Samen (Walnüsse, Haselnüsse, Leinsamen,..)
Obst mit (!) Schale (Äpfel, Trauben,..)
Gemüse (farbig & bitter, z.B. Artischocken, Rote Bete, Brokkoli)
Oliven & Olivenöl (nativ extra)
Curcumin wirkt entzündungshemmend und neuroprotektiv (insbes. Alzheimerschutz), was durch Studien gut nachgewiesen ist. Allerdings wirkt es in höheren Dosen (ab 3 mg/kg Körpergewicht) potenziell leberschädigend und kann den Eisenstoffwechsel stören. Dieses Risiko gilt insbesondere für hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel, die auch Piperin zur Erhöhung der Bioverfügbarkeit enthalten.
5 Kann man das Gehirn auch schädigen?
Aber ja doch! Da gibt es hervorragende und weit verbreitete Methoden. Das Gehirn ist extrem stoffwechselaktiv, stark auf bestimmte Nährstoffe angewiesen und zugleich empfindlich gegenüber oxidativem Stress, Entzündung und Durchblutungsstörungen. Hier die größten Ernährungsfehler mit Bezug auf Schädigung von Gehirn und Nervensystem:
Fördert Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes → erhöhtes Demenzrisiko („Alzheimer = Typ-3-Diabetes“ wird diskutiert).
Schädigt Blutgefäße, erhöht Entzündung und oxidativen Stress im Gehirn.
Hohe Fructose-Aufnahme (v. a. aus Softdrinks, nicht aus Obst) → verschlechtert Gedächtnisleistungen in Studien.
2. Zu viel gesättigtes Fett und Transfette
Hoher Konsum von industriell verarbeiteten Transfetten (Margarinen, Frittiertes, Snacks) ist stark mit kognitivem Abbau und Depression assoziiert.
Gesättigte Fette (v. a. aus rotem Fleisch, Wurst, fettreicher Milch) fördern Atherosklerose und somit Minderdurchblutung des Gehirns.
Direkte Neurotoxizität (Schrumpfung der grauen Substanz, Gedächtnisprobleme).
Schon moderate Mengen können Schlaf und Neurotransmitter stören.
Hochkonsum → Risiko für Korsakow-Syndrom (schwere Gedächtnisstörung).
B-Vitamine (B1, B6, B12, Folat): wichtig für Myelinscheiden und Homocysteinabbau → Defizit führt zu Nervenschäden und Demenzrisiko.
Omega-3-Fettsäuren (DHA/EPA): zentral für neuronale Membranen, Neurotransmission → Mangel fördert Depression, Demenz, Sehprobleme.
Vitamin D: niedrige Spiegel mit kognitivem Abbau assoziiert.
Magnesium, Zink, Eisen, Kupfer, Selen: Bei Unterversorgung problematisch, da notwendig für Neurotransmitter, antioxidative Systeme und Myelinschutz.
Führt zu hohem Blutdruck → mikrovaskuläre Schäden im Gehirn, erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und vaskuläre Demenz.
Kombination aus Zucker, Salz, gesättigten Fetten, Zusatzstoffen → fördert systemische Entzündung und verändert das Darmmikrobiom, was wiederum das Gehirn beeinflusst („Gut-Brain-Axis“).
Studien zeigen: Jugendliche mit Junk-Food-Ernährung haben messbare Einbußen im Hippocampus (Gedächtniszentrum).
Schon leichte Dehydration reduziert Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Reaktionszeit (bei älteren Menschen of problematisch, da das Durstgefühl nachlässt)
Kurzfristig leistungssteigernd, langfristig Schlafstörung und dadurch indirekte neuronale Schäden.
Eine hohe Proteinzufuhr aus Fleisch kann bei älteren Menschen zur Überaktivierung der IGF-1/mTOR-Signalwege beitragen. Langfristig wird dies mit einem erhöhten Risiko für neurodegenerative Erkrankungen in Verbindung gebracht. Pflanzliches Protein zeigt in diesem Zusammenhang bislang keine vergleichbaren Risikosignale.
IGF-1 und mTOR sind zentrale Signalproteine, die für Regeneration, Muskelaufbau und neuronale Plastizität unverzichtbar sind. Sie fördern Zellwachstum und -teilung und hemmen Prozesse des programmierten Zellabbaus, darunter die Autophagie. Diese Autophagie dient unter anderem der Beseitigung geschädigter oder entarteter Zellen. Eine chronische Überaktivierung der IGF-1- und mTOR-Signalwege kann jedoch tumorfördernd wirken – insbesondere im höheren Lebensalter, wenn die feine Balance dieser Regulationsmechanismen durch Faktoren wie chronische Entzündungen, Insulinresistenz oder hormonelle Veränderungen gestört ist.